Leserbrief am 3.1.2022
Zur gegenwärtigen Berichterstattung über den Konflikt zwischen der Ukraine respektive der Nato und Russland an der Ostgrenze der Ukraine:
„Wenn die Russen kommen“, „revanchistisches Russland“, „aggressive Haltung Putins“• so oder ähnlich tönt es seit Wochen aus den Nachrichten.
Da wird das Szenario eines drohenden russischen Einmarsches in den Donbass an die Wand gemalt.
Wie mehrere Analysen zeigen, hat Moskau daran jedoch gar kein Interesse, sehr wohl aber an Garantien für die Sicherheit Russlands.
Es geht dem Kreml vor allem um eine endgültige Beendigung der Nato-Osterweiterung, vor allem um den Verzicht auf die geplante Aufnahme der Ukraine und Georgiens in den Militärpakt, wie es in einem Entwurf einer „Vereinbarung zur Gewährleistung der Sicherheit Russlands und der Nato-Mitgliedstaaten“ heißt, der am Freitag vom russischen Außenministerium vorgelegt wurde. Nato und USA jedoch beharren auf der Aufnahme der beiden Länder.
„Ich denke, das (die NatoOsterweiterung) war ein tragischer Fehler. Es gab überhaupt keinen Grund dafür.
Niemand bedrohte irgendjemanden.“ Wer das sagte? Putin? Nein, es war George Kennan, der Architekt amerikanischer Eindämmungspolitik.
Der langjährige deutsche Außenminister Hans Dietrich Genscher sah das nicht anders. Und Kennan fügte hinzu: „Natürlich wird es darauf zukünftig eine böse Reaktion durch Russland geben, und dann werden sie (die NatoErweiterer) sagen: So sind die Russen, das haben wir auch immer gesagt.“ Jahrelang hat sich Moskau um eine engere Kooperation mit dem Westen bemüht, man denke nur an die mit stürmischem Applaus bedachte Rede Putins im September 2001 im Deutschen Bundestag, in der er für die Errichtung einer „dauerhaften internationalen Sicherheitsarchitektur“ und für einen gemeinsamen „Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok“ warb – was die USA bisher mit aller Macht zu hintertreiben wussten.
Antwort des Westens auf die Vorschläge? Keine.
Bereits Anfang 1954 plädierte die UdSSR für die Schaffung eines kollektiven Sicherheitssystems – erfolglos. Vieles wäre noch zu erwähnen.
Schließlich kamen 2014 mit dem vom Westen befeuerten Putsch in der Ukraine reaktionäre und faschistische Kräfte an die Macht, die das Land zu einem Frontstaat gegen Russland aufbauten.
Wer nicht nur der üblichen Propaganda aufsitzen, sondern sich über die Hintergründe des gegenwärtigen Konflikts zwischen der Nato und Russland gründlich informieren möchte, möge unbedingt den exzellenten Vortrag „Eiszeit mit Russland?“ anhören, den Prof. Dr. Gabriele Krone-Schmalz kürzlich in der VHS Köln gehalten hat.
Er ist auf Youtube verfügbar.
Ein Muss für an Fakten Interessierte.
Erwin Junker, Marburg