Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Mitmenschen,
im Namen des Marburger Bündnisses „Nein zum Krieg!“ meinen
herzlichen Dank an die Vorredner*innen für ihre engagierten Reden;
unser herzlicher Dank auch an den Magistrat der Universitätsstadt MR für
die Initiative, dieses große Zeichen für den Frieden zu setzen… wie auch
an die unzähligen anderen Initiativen, Kundgebungen und Mahnwachen in
unserem und vielen anderen Ländern – besonders auch in Russland (!) –
die ein Zeichen dafür setzen, dass Krieg kein Mittel der Politik ist und sein
darf.
Kriege gehen überall und immer auf Kosten der Zivilbevölkerung. Es sind
die Schwächsten, die am meisten unter ihnen leiden. Wir sind erschüttert,
die Menschen zu Tausenden vor den Kriegshandlungen aus der Ukraine
fliehen zu sehen. Ihnen sollte jede mögliche Hilfe und Aufnahme
entgegengebracht werden (Marburg…).
Das Marburger Bündnis „Nein zum Krieg!“ verurteilt die militärische
Invasion Russlands in der Ukraine. Sie verletzt das UN-Gewaltverbot und
ist durch nichts zu rechtfertigen. Das Gebot der Stunde heißt:
Deeskalation, Rückzug des russischen Militärs und Rückkehr an den
Verhandlungstisch.
(Die Ankündigung einer Aufnahme von Verhandlungen zwischen dem ukrainischen
Präsidenten Selenskyj und Wladimir Putin ist unbedingt zu begrüßen und zu unterstützen.)
Unsere Bundesregierung ist dringend aufgefordert, sich mit all ihrer Kraft
für friedliche Lösungen des Konflikts einzusetzen. Auch wenn der Krieg
den Schritt zu all dem schwieriger macht, muss eine Wiederaufnahme von
Gesprächen auf allen Ebenen erreicht werden: von bilateralen
Gesprächen über die OSZE, vom Europarat bis hin zum NATO-Russland-
Rat – Institutionen, die angesichts des angeheizten Konfrontationsdiskurses (in Politik und Medien)
weitgehend ausgeblendet und aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit verschwunden sind.
Deeskalation, nicht weitere Aufrüstung ist das Gebot des Moments.
Es ist und bleibt eine Tatsache, dass es für den völkerrechtswidrigen
Angriffskrieg Russlands keine Rechtfertigung gibt. Doch können wir (der
„Westen“) nicht die Augen davor verschließen, dass dieser Krieg eine
lange Vorgeschichte hat und auf schlimme Weise das Scheitern auch
unserer eigenen Politik vor Augen führt. (Wenn Verhandlungen eine Chance haben
sollen, müssen wir das zur Kenntnis nehmen.)
Wir müssen anerkennen, dass die massive Einmischung in den Bürgerkrieg
in der Ukraine seit Jahren nicht zu Frieden geführt, sondern die
Spannungen verstärkt und die Umsetzung des Minsker Abkommens
zumindest nicht befördert hat.
Wir müssen es zur Kenntnis nehmen, dass die NATO gegen ihre eigene
Zusicherung und gegen den Willen Russlands (!) seit den 1990er Jahren
ihre Grenzen immer weiter nach Osten verschoben und Militärbasen in
unmittelbarer Reichweite des russischen Territoriums etabliert hat (…Ansatz
für “6. Erweiterungswelle“ der NATO nach Osten: Signale an die Ukraine, für Beitrittsgespräche offen
zu sein…)
Und wir müssen uns – leider! – daran erinnern, dass es die NATO selbst
ist, die (über die Jahrzehnte hinweg) mit völkerrechtswidrigen (weil ohne UN-Mandat
geführten) Angriffskriegen (in Jugoslawien, in Afghanistan, im Irak, in Libyen
und Syrien) Präzedenzfälle geschaffen hat, die nicht minder
verurteilenswert sind als heute der Krieg Russlands gegen die Ukraine.
Meine Damen und Herren, liebe Friedensfreundinnen und
Friedensfreunde: Es kann in keiner Weise darum gehen, die Fehler, gar die
Verbrechen der einen gegen die der anderen Seite aufzurechnen.
Aber wir, die Zivilgesellschaft, wir, die wir (ebenso wie die Menschen in
der Ukraine) die Kosten dieser Kriege, dieser Anhäufung von Waffen,
Raketensystemen, Kampfpanzern und Atombombern tragen, wir sollten doch
spätestens angesichts der erschütternden Vorgänge in der Ukraine die
Abkehr von dieser destruktiven Konfrontationspolitik fordern.
Es ist nicht zuletzt die Friedensbewegung in der Ukraine selbst, die sich
dringend gegen Waffenlieferungen und weitere Aufrüstung ausspricht.
Waffen machen die Gesellschaft nicht sicherer, sondern gefährden und
zerstören die Wege friedlichen Zusammenlebens.
Die unausgesetzte Aufrüstung verschlingt weltweit gigantische Summen
von Geld, das wir in so vielen anderen Bereichen dringend brauchen.
(Im Jahr 2020 wurden weltweit rund 1.981 Milliarden US-Dollar für Rüstung ausgegeben; 778
Milliarden Dollar in den USA, 61,7 Milliarden Dollar durch Russland, in der Bundesrepublik waren
es 52,8 Milliarden Dollar (ca. 44 Milliarden Euro).
Auch das hat ein Sprecher der ukrainischen Friedensbewegung
nochmals eindringlich bekräftigt: Wir brauchen kein Geld für Waffen!
Wir brauchen es für Schulen, für Bildungseinrichtungen, für zivile
Infrastruktur, für Krankenhäuser und Pflegepersonal, für Bücher und
Schwimmbäder und Austauschprogramme.
Und wir (wir alle) brauchen es dringend, um dem galoppierenden
Klimawandel, der durch Militär und Rüstung ebenfalls schwerwiegend
vorangetrieben wird, zu begegnen. Der Abbau aller
Atomwaffenarsenale, die das gesamte Leben auf unserem Planeten akut
bedrohen, gehört zentral dazu.
Abrüstung statt Aufrüstung, Verhandlungen statt fortgesetzter
Konfrontation, ehrliches Bemühen um multilaterale Zusammenarbeit für
Rüstungsbegrenzung und Rüstungsabbau und für den Erhalt eines
lebensfähigen Planeten sind das Gebot der Stunde.
Es sollte doch nicht dem Krieg geschuldet sein, wenn wir unsere
Mitmenschen aus der Ukraine oder aus Russland persönlich
kennenlernen. Wir sollten es durch friedlichen Austausch, durch
Jugendprogramme, Tourismus und Friedenstreffen tun.
Vielen Dank.
PD Dr. Anne Maximiliane Jäger-Gogoll
Im Namen des Marburger Bündnisses „Nein zum Krieg!