Leserbrief zu den neuesten SIPRI-Zahlen:
Der aktuelle Bericht des untadeligen schwedischen SIPRI-Instituts bringt es wieder an den Tag: Die Aufrüstungskosten haben den Stand der schlimmsten Phase des Kalten Krieges erreicht. Und die Bundesrepublik Deutschland ist ganz vorne dabei! Unvorstellbare (knapp) zwei Billionen US-Dollar sind im vergangenen Jahr von (im übrigen fast ausnahmslos völlig überschuldeten) Staaten an die Rüstungskonzerne geflossen.
Die Bundesrepublik Deutschland ist bei den Steigerungsraten Spitze: Im vergangenen Jahrzehnt sind die Ausgaben für die als „Verteidigung“ titulierte Kriegsvorbereitung um etwa 30 Prozent gestiegen. Alle Interventionskriege mit deutscher Beteiligung sind kläglich gescheitert, zigtausende Soldatinnen und Soldaten leiden allerdings unter PTBS. Der Rüstungsexport feiert fröhliche Urständ – auch hier ist Deutschland mit dieser Form der Verunsicherheitlichung der sensiblen Weltpolitik an der Spitze der Entwicklung.
Die USA mit ihren vier Prozent Anteil an der Erdbevölkerung vergeuden 40 Prozent der weltweiten Aufwendungen an die Rüstung, die VR China mit einem Viertel der Erdbevölkerung 13 Prozent. Die Nato-Staaten und ihre Verbündeten (u.a. Israel und Saudi-Arabien) kommen auf zwei Drittel.
Zwei Fragen stelle ich mir fortwährend: Wer bedroht unser Land, die EU insgesamt, militärisch? Und: Wären unsere Staaten militärisch überhaupt zu verteidigen? Mit ihren AKWs, mit der zentralisierten Hightech, mit den riesigen Chemie- und Pharma-Unternehmen, mit der gesamten industriellen Infrastruktur …
Altbundeskanzler Helmut Schmidt formulierte kurz vor seinem Tod einen Satz, den sich die Kramp-Karrenbauer, die Maas und (scheinbar besonders schlimm) die Baerbock als Bildschirmschoner montieren lassen sollten: „Lieber einhundert Mal ergebnislos verhandeln, als einmal schießen“.
Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Übrigens hat die bevorzugte Projektionsfläche des aktuellen Berliner Kalten Krieges, Russland, zum wiederholten Mal die Rüstungsaufwendungen gekürzt und vergeudet jetzt eine Großbritannien vergleichbare Summe.
Für Entwicklungshilfe wurden beschämende 120 Milliarden US-Dollar aufgewandt (die überdies noch zu 80 Prozent in die Unternehmen der Geberländer flossen). Die wirksame Bekämpfung des Hungers auf der Erde würde etwa drei Prozent der Rüstungsausgaben bedeuten. Die Zahl der Hungernden und Unterernährten hat im vergangenen Covid-Jahr um etwa 15 Prozent zugenommen, was die Bankrott-Bilanz der sogenannten „entwickelten“ Staaten der Erde vervollständigt.
Johannes M. Becker, Marburg