Leserbrief in der OP vom 14.1.2021
Frau Sandra Ciesek ist mit ihrer Feststellung, dass „Corona Defizite in der Gesellschaft deutlich“ mache, uneingeschränkt zuzustimmen. Nun sind das Virus und seine Begleiterscheinungen zwar reale Probleme, aber das, was dabei wirklich immer deutlicher wird, ist die kapitalistische Gesellschaftsordnung, ihre Verfasstheit und ihr ideologisches Selbstverständnis. Fast alle Lebensbereiche sollen sich „betriebswirtschaftlich rechnen.“ Im Gesundheitswesen zeigt sich besonders deutlich, wohin der Privatisierungswahn und die daraus rührenden Dividendenerwartungen führen. Die Bertelsmann-Stiftung rechnete bereits 2014 vor, dass man den Krankenhausbestand von seinerzeit noch 1800 Einrichtungen auf 400 absenken könne, „damit sich das rechnet.“ Die Folge einer solchen Denke sind Austritte aus flächendeckenden Tarifverträgen und die erfolgten Schließungen von Dutzenden von Häusern mit kleiner Bettenzahl. Kreiskrankenhäuser sind gezwungen nachzuweisen, dass sie profitabel arbeiten, – wenn nicht, macht man dicht.
Eine wohnortnahe, qualifizierte Mindestversorgung, besonders im ländlichen Raum, ist nicht mehr gewährleistet. Arno Widmann, stellt in einem Kommentar der Frankfurter Rundschau (FR) am 8. Januar 2021 (zu einem anderen Thema) fest, „dass die Demokratie ihre Kinder verrät“ und „dass wir die Diktatur der Konzerne jeden Tag auf’s Neue erfahren.“ In der gleichen Ausgabe der FR formuliert Stefan Hebel: „Es ist die riesige Kluft zwischen Arm und Reich, die Erosion sozialer Absicherung und öffentlicher Daseinsvorsorge, die ständige Existenzangst bis in weite Teile der Mittelschicht hinein“, die Sorge bereitet. Aus dieser Angst versuchen die Rechten und ihr parlamentarischer Arm, die AfD, Stimmung zu machen, gegen angebliche Sozialschmarotzer und gegen Virus-importierende Asyl und Schutz suchende Menschen. Wir brauchen eine radikale Rückbesinnung auf den starken Sozialstaat, um sowohl das Coronavirus, als auch das Virus in den Köpfen zu bekämpfen. Im Superwahljahr 2021 sind die Parteien programmatisch gefordert!
Pit Metz,
DGB-Kreisvorsitzender, Marburg