Leserbriefe in der Oberhessischen Presse vom 4.10.2025

2025_10_04 OP als pdf.

Unqualifizierte Kritik

Meinung zur Berichterstattung und zu verschiedenen Leserbriefen zum Angriff auf die Ukraine:

Haben sie nun oder haben sie nicht den estnischen Luftraum verletzt, die russischen Kampfjets auf ihrem Flug nach Kaliningrad? Für Scharfmacher aus allen Bundestagsfraktionen ist völlig klar: Sie haben! Estland selbst sieht zwar keine Angriffsabsicht, aber egal! Deeskalation und Konsultationen mit Moskau sollen nicht sein, vielmehr „Abschuss russischer Kampfjets im Wiederholungsfall“. Diese öffentliche Aufforderung bei unklarer Beweislage ist völkerrechtswidrig und strafbar (gemäß Paragraf 80a Strafgesetzbuch, Paragraf 13 Absatz 4, Ziffer 4 Völkerstrafgesetzbuch und Artikel 26 Absatz 1 Grundgesetz, so Ex-General Harald Kujat).

Drohnen zunächst unbekannter Herkunft über dänischen Flughäfen sind nach wenigen Tagen beweislos zu russischen mutiert. Klar, so kann der Aufbau eines Drohnenwalls gegen Russland gut legitimiert werden.

Prof. Gert Sommer, nicht der einzige, der über Hintergründe zum Ukrainekrieg und friedenspolitische Alternativen immer wieder fundiert informiert, ist in letzter Zeit bevorzugter Adressat von oft unqualifizierter Kritik. Da schreibt etwa W. Werner am 6.

September 2025, Russland sei nach dem Fall der Sowjetunion „nie durch die Osterweiterung der Nato bedroht“ gewesen, womit der vielstimmige Chor derer, die eine genau gegenteilige Sicht vertreten (unter anderem der Ex-US-Botschafter in Moskau, William Burns), unterschlagen wird. Unbekannt ist offenbar auch, dass der US-Thinktank „Rand Corporation“ im Januar 2022 erwartete, Moskau werde die fortgesetzten Angriffe Kiews auf den Donbass, die mehr als 14.000 Todesopfer forderten, militärisch beantworten, was es ermögliche, Russland zum Aggressor zu erklären.

Für Herrn E. Martin handelt es sich bei den Hinweisen auf die ukrainisch-russischen Verhandlungen in Istanbul im Frühjahr 2022 um die „Aufwärmung alter Legenden“ (Leserbrief vom 6. September 2025). Es fällt ihm nicht auf, dass sich Prof. Sommer dabei nicht auf eine „Moskauer“, sondern auf eine ukrainische Zeitung, die „Ukrainska Pravda“, bezieht (Leserbrief vom 30. August 2025), die berichtete, Boris Johnsons Intervention (als Nato-Emissär) habe zum Abbruch der Verhandlungen geführt. Überdies ist durch ukrainische und andere Stimmen (etwa Dawid Arachamija, Chefunterhändler der Ukraine in den Verhandlungen, oder Walerij Tschalyj, ehemaliger Botschafter in Moskau) vielfach bezeugt, dass man seinerzeit sehr nah an einem für die Ukraine vorteilhaften Kompromiss gewesen sei. Das aber war nicht im Interesse des Westens, Russland soll(te) ja „ruiniert“ werden (Baerbock).

Wie viele hunderttausend Menschenleben soll das noch kosten?

Erwin Junker, Marburg

Mehr kritisches Bewusstsein

Zum OP-Interview „Der Standort könnte gerne noch wachsen“:

Im OP-Interview vom 26. September freuten sich zwei Generäle über eine mögliche Landes- und Bündnisverteidigung gegen Russland, militärische Evakuierungsoperationen, die Ausbildung ukrainischer Soldaten und den Standort Stadtallendorf.

Eine Landesverteidigung und Evakuierung der Bevölkerung ist aber angesichts der dichten Infrastruktur Deutschlands unmöglich. Die Ausbildung der Soldaten zur Ansicht: „Auf dem Gefechtsfeld gibt es keinen zweiten Sieger.

Wer schneller schießt und besser trifft, der lebt länger“, ist verantwortungslos.

Die Nato will also als erste auf Russland schießen. Träfen in einem Krieg Atombomben zuerst Russland, gäbe es einen Auslösemechanismus für russische Atombomben. Europa würde ausgelöscht. Die ganze Erde wäre durch einen atomaren Winter verwüstet, kein Wasser mehr trinkbar, keine Frucht vom Acker, von den Bäumen mehr essbar. Pflanzen und Tiere würden ebenso verdampfen wie Menschen.

Gerade die militärische Geschichte von Stadtallendorf verlangt mehr kritisches Bewusstsein gegenüber Rüstung und ihren Folgen für Menschen und Umwelt. In Stadtallendorf wurden im Zweiten Weltkrieg Sprengstoffe hergestellt, deren Reste trotz Sanierung (1993-2013) bis heute die Umwelt (Wasser, Wälder, Äcker) vergiften, denn Sanierung ist keine Heilung. Im Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) wäre Nachhilfeunterricht möglich über die Unmenschlichkeit der Rüstungsfirmen: Jüdische Zwangsarbeiterinnen mussten unter ständiger Lebensgefahr die Sprengstoffe produzieren.

1945 brachte die US-Armee weitere Sprengstoffe dorthin und verteilte das Gift durch Sprengung weiträumig. Wie an Funden von Sprengstoffresten in der Umgebung der A 49 erkennbar ist, blieben verstreute Sprengstoffreste bis heute auf dem Boden.

Viele Menschen, die sich – ohne Kenntnis dieser Situation – nach dem Krieg in Stadtallendorf niederließen, erkrankten an Krebs.

Und jetzt wollen Generäle wieder junge Soldaten dem zweifachen Gift der Umweltproblematik und „Kriegsertüchtigung“ aussetzen. Obwohl unser Grundgesetz dem Frieden verpflichtet ist, planen Nato-Generäle am 11. Oktober eine Militär-Übung zur Montage von Atomwaffen in Nörvenich, welche die Kriegsgefahr vergrößert.

Ärzte könnten die zahlreichen Atomkriegsopfer nicht behandeln. Sie selbst wären davon betroffen.

Lasst uns daher Kriege in jedem Fall und mit allen Mitteln verhindern und nicht vorbereiten. Wir wollen nicht „kriegstüchtig“, sondern friedensfähig werden.

Wo bleibt die Verantwortung der Generäle für das Leben?

Dr. Ilina Fach, Marburg